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Der Ursprung der Sauerstoffreduktion: Wie Südtiroler Äpfel den modernen Brandschutz prägten

von Michael Schultz

von Michael Schultz

20. Januar 2023

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Was hat Brandschutz mit Äpfeln oder gar Birnen zu tun? Eine Frage, die kaum jemand stellen wird, geschweige denn beantworten kann.

Dennoch: Ohne Äpfel und Birnen in Südtirol und einem sehr innovativen jungen Ingenieur, wäre der moderne Brandschutz, so wie wir ihn heute kennen, um eine herausragende Technologie ärmer.

In den 50ern des vergangenen Jahrhunderts stand ein junger Südtiroler Ingenieur vor der Herausforderung, das Lagerproblem von Äpfeln für die Apfelbauern in seiner Heimat zu lösen. Was für viele kaum vorstellbar ist: Es war damals nicht immer möglich, Äpfel das ganze Jahr hindurch zu kaufen. Die Frucht konnte kühl und dunkel nur für einen kurzen Zeitraum gelagert werden. Irgendwann kam es dann zu einem Punkt, von dem an das Obst schrumpelig wurde und kurze Zeit später zu faulen anfing. Früchte, die nicht frisch verzehrt wurden, mussten zu Kompott oder Saft verarbeitet werden und eine lange Apfel-lose Zeit begann.

Apfelanbau Südtirol Früher

Das weltweit erste Kühllager mit Atmosphärenkontrolle

Der junge Ingenieur entdeckte, dass Äpfel, die in einer sauerstoffarmen Umgebung gelagert wurden, wesentlich länger fest und frisch blieben. Allerdings neigten diese Äpfel nach einer Zeit dazu, von innen zu faulen. Schuld daran war das vom Obst selbst erzeugte CO2. Kurzerhand entwickelte der Ingenieur einen auf Pottasche basierenden Adsorber, mit dessen Hilfe er das während der Lagerung entstehende CO2 entfernte. Durch intensive Forschung und zahlreiche Tests wurde die Methode der Obstlagerung perfektioniert. Man fand heraus, dass jede Apfelsorte eine andere Sauerstoffkonzentration benötigt, welche exakt eingehalten werden muss. Um das Schrumpfen des Apfels zu verhindern, wurden feuchtigkeitszuführende Systeme entwickelt.  

1958 wurde die Firma Isolcell gegründet und das weltweit erste gasdichte Kühllager mit kontrollierter Atmosphäre in Bozen, Südtirol errichtet. Frische Äpfel und Birnen konnten von nun an das ganze Jahr über genossen werden.  

Die Kunst hinter der Regulierung des Sauerstoffniveaus

Adox Generatoren

Was sich hier so einfach liest, ist technisch sehr anspruchsvoll. Der Sauerstoffgehalt in einem üblicherweise 3000m3 großen Lager, muss bis auf die dritte Nachkommastelle während des gesamten Lagerprozesses gehalten werden.

Aber wie wird ein niedriges Sauerstoffniveau denn überhaupt erreicht? Wie reduziert man den Sauerstoffgehalt in einem Raum und was bedeutet eine künstlich erzeugte Atmosphäre?   

Es dauerte bis über das Jahr 2000 hinaus, bis die Frage aufkam, ob das Prinzip der Sauerstoffreduktion und die dafür benutzte Technologie nicht auch für andere Zwecke genutzt werden könnte. Unter Feuerwehrleuten und Menschen, die im Brandschutz tätig sind, ist es bekannt – das sogenannte „Feuerdreieck (hier der folgenden Abbildung kreisförmig dargestellt). Es zeigt die drei essenziell wichtigen Zutaten, die einen Brand verursachen:  

Feuerdreieck - Anlagentechnischer Brandschutz

Jedes Feuer bedient sich der Umgebungsluft, um daraus den erforderlichen Sauerstoff zu erhalten. Die den Menschen umgebende Atmosphäre beinhaltet 20,95% Sauerstoff pro Volumen. Dieser Anteil trifft überall auf der Welt zu – ob auf Meereshöhe oder hoch oben in den Bergen. Mit zunehmender Höhe wird der Sauerstoffanteil pro Volumen zwar immer geringer, aber die Ratio zwischen Sauerstoff und den weiteren Bestandteilen der Luft bleibt gleich.  

Luft = ein durch Erdatmosphäre umgebendes Gasgemisch, bestehend aus: 

78,08 Vol.% Stickstoff  
 
20,95 Vol.-% Sauerstoff und 
 
0,97 Vol.-% anderen Spurenstoffen 

(Kohlendioxid, Methan, Argon, Helium, Wasserstoff sowie Staubpartikel, flüssige und feste Aerosole, Schwefel und Stickstoffverbindungen, Ozon und weitere)

Ein kontrolliertes Feuer kann Komfort erzeugen, schützt vor Kälte und ermöglicht Fortschritt. Gerät ein Feuer jedoch außer Kontrolle, wird es zur Bedrohung. Feuer kann die totale Zerstörung von jeglichem Besitz bewirken und Leben kosten. Weder die Natur noch von Menschen erschaffene Infrastruktur ist zu 100% gegen Feuer gewappnet. Gebäude jeder Art können nahezu restlos abbrennen. 

Seit je her versuchen Menschen unkontrolliertes Feuer zu bekämpfen. Hierfür werden unterschiedlichste, mehr oder weniger geeignete Hilfsmittel benutzt. Mit Feuerpatschen, Wasser, Sand, Gas und Schaum wird versucht, Feuer zu bekämpfen, zu löschen, einzudämmen. Eines haben alle diese Löschmittel und Methoden aber gemeinsam – das Feuer muss ausgebrochen und der Schaden eingetreten sein, bevor reagiert wird. 

Kann eine kontrollierte Atmosphäre, ähnlich der bei den Obstbauern, hilfreich sein? 

Was wir wissen: Der Siedepunkt für Wasser verschiebt sich mit zunehmender Höhe aufgrund des geringeren Luftdrucks nach unten. Auf dem K1 herrscht zum Beispiel ein Luftdruck von lediglich 0,326 bar. Nicht nur Wasser kocht schon bei niedrigeren Temperaturen – auch ein Feuer zeigt in der Höhe ein anderes, weniger violentes Verhalten. Die Ursache dafür liegt in einer der drei Zutaten des Feuerdreiecks, dem Sauerstoff. Sauerstoff ist auf dem K1 nur in geringen Mengen pro Volumen vorhanden. Die einzelnen Moleküle sind aufgrund des geringen Luftdrucks weiter voneinander entfernt als in niedrigeren Regionen. Der Anteil an Sauerstoff liegt nach wie vor bei 20,95Vol.-% pro Volumen, die Menge der Moleküle hingegen ist reduziert. 

Damalige Labortests zeigten sehr schnell, dass eine Veränderung der Ratio zwischen Sauerstoff und Stickstoff ein verändertes Brandverhalten erzeugten. Wurde der Stickstoffanteil in der Luft nur um wenige Prozent erhöht, war ein Feuer nur noch schwer zu entzünden. Ein bestehendes Feuer entwickelte weniger Hitze und brannte mit niedrigeren Flammen. Wurde der Anteil Stickstoff so weit erhöht, dass der relative Anteil Sauerstoff in der Luft nur noch 16, 15 Vol.-% oder noch weniger betrug, war es unmöglich, ein Feuer zu entzünden oder zu unterhalten.   

Ein völlig neues, einzigartiges Brandschutzkonzept, die Sauerstoffreduktion zur Brandvermeidung war erfunden. 

Rahmenbedingungen für den perfekten Brandschutz

Eine Reduzierung des Sauerstoffgehaltes in der Luft funktioniert nur in geschlossenen Räumen oder ganzen Gebäuden. Im Freien würde der Mechanismus an dem unendlichen Angebot an Sauerstoff in der Luft und dem unbegrenzten Raum scheitern. Wie zuvor beschrieben, ist das Verhältnis zwischen Sauerstoff und Stickstoff in der Luft entscheidend, ob und wie ein Brandverhalten manipuliert werden kann. Die effektivste und risikoloseste Methode, das Gasgemisch abzuwandeln, ist die Zuführung von Stickstoff. Mit jedem Kubikmeter Stickstoff, der in den Schutzbereich (den Raum, das Gebäude) eingeleitet wird, verringert sich der relative Anteil an Sauerstoff. Es muss also so lang Stickstoff in den Schutzbereich eingeleitet werden, bis das brennbare Gut ausreichend geschützt ist.  

Wichtig: Jedes Material hat andere Entzündungsgrenzen und muss durch unterschiedliche Sauerstoffkonzentrationen geschützt werden! 

Aus diesem Grund werden alle im Schutzbereich gelagerten Materialien betrachtet und das Material mit der niedrigsten Entzündungsgrenze bestimmt letztendlich die Schutzkonzentration. Wann das anvisierte Schutzniveau erreicht ist, wird durch Kontrolltechnik festgestellt und überwacht. Dieses Justieren und Überwachen der künstlich erzeugten Atmosphäre erfolgt mithilfe von Sensoren und weiteren digitalen Kontrolleinrichtungen. Somit ist ein perfekter Brandschutz gewährleistet – rund um die Uhr, 7 Tage die Woche und 12 Monate im Jahr. 

Wo kommt der benötigte Stickstoff her? 

Stickstoff wird in nahezu allen Industriebereichen in ausgesprochen großen Mengen benötigt. Von der Luftfahrttechnik über die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie, die Kunststoffindustrie bis hin zur Öl und Gasindustrie, der Trinkwasseraufbereitung und der Pharmaindustrie – alle sind auf Stickstoff angewiesen.

Es gibt kaum einen Industriezweig, der ohne Stickstoff auskommt. Die meisten beziehen ihren Stickstoff, ob in fester Form, flüssig oder gasförmig von der stickstofferzeugenden Industrie. 

Unsere Luft

Aufgrund der spezifischen Funktionsweise der künstlich erzeugten Atmosphäre zur Brandvermeidung macht es keinen Sinn, den Stickstoff zu kaufen und in Behältnissen zu lagern. Der benötigte Stickstoff wird vor Ort, da wo er benötigt wird, produziert und verwendet. Drei verschiedene Technologien stehen dabei zur Verfügung. Sie arbeiten nach dem gleichen Grundprinzip, sind aber in ihrer Arbeitsweise, den Kosten und ihrer Effektivität grundverschieden. 

(Alle Infos zu den Technologien gibt’s im Blogbeitrag Im Vergleich: Die 3 Techniken der Stickstofferzeugung) 

Bei der gesamten Produktpalette, von den Stickstoffgeneratoren für alle drei Technologien bis hin zu den Sauerstoffsensoren und Messeinheiten, handelt es sich um Eigenentwicklungen des Weltmarktführers Isolcell, die aus eigener Produktion stammen und von Wichmann exklusiv auf dem deutschen Markt vertrieben werden. Über 60 Jahre Erfahrung, „State of the art“ Systeme und weltweit über 17.000 installierte Anlagen in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten sprechen für sich. 

Über den Autor

Über den Autor

Michael Schultz, ehemaliges Mitglied des Führungskreises in der Siemens AG, u.a. als Geschäftsführer und Bereichsleitung Gebäudetechnik, Vertriebsleitung Welt - Elektrotechnik. Der Betriebswirt ist seit 2009 als externer Berater tätig. Beim Aufbau ihres weltweiten Vertriebes für Sauerstoffreduktionsanlagen stand er beiden führenden Herstellern, sowohl Wagner GmbH, Langenhagen, wie auch Isolcell AG, Leifers - Italien maßgeblich zur Seite. Bei Fachfirmen und Anwendern weltweit ist er ein anerkannter Experte für „Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion“ – insbesondere in der Planung und Realisierung der Anlagen. Auf Messen und Fachforen tritt er regelmäßig als Referent auf.

Michael Schultz Porträt

Über den Autor

Michael Schultz, ehemaliges Mitglied des Führungskreises in der Siemens AG, u.a. als Geschäftsführer und Bereichsleitung Gebäudetechnik, Vertriebsleitung Welt – Elektrotechnik. Der Betriebswirt ist seit 2009 als externer Berater tätig. Beim Aufbau ihres weltweiten Vertriebes für Sauerstoffreduktionsanlagen stand er beiden führenden Herstellern, sowohl Wagner GmbH, Langenhagen, wie auch Isolcell AG, Leifers – Italien maßgeblich zur Seite. Bei Fachfirmen und Anwendern weltweit ist er ein anerkannter Experte für „Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion“ – insbesondere in der Planung und Realisierung der Anlagen. Auf Messen und Fachforen tritt er regelmäßig als Referent auf.

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